In Gostenhof ist es eng. Zumindest verkehrstechnisch. Wer regelmäßig ein Auto nutzt, kann ohne eigenen Garagenplatz bei ungünstiger Tageszeit schon mal eine halbe Stunde mit Parkplatzsuche verbringen. Auf zwei Rädern lebt man oft gefährlich – wer legal in den Einbahnstraßen gegen die (Autofahr-)Richtung unterwegs ist, muss schon sehr aufpassen, nicht auf einer Kühlerhaube zu landen. Von den Gefahren für spielende Kinder ganz zu schweigen.
In anderen innenstadtnahen Vierteln ist die Situation sicher ähnlich drastisch und verschlimmert sich spürbar. Zu viele Autos bringen für die Bewohner*innen gravierende Nachteile: Lärm- und Abgasbelastung, erhöhte Feinstaubwerte, eingeschränkte Bewegungsfreiheit durch geparkte Fahrzeuge. Dies zu ändern, hat sich die Initiative „Nürnberg Autofrei“ zum Ziel gesetzt. Mittels eines Bürgerbegehrens will sie bis 2030 Nürnberg zur „autoreduzierten Stadt“ umwandeln. Umfangreiche Maßnahmen sollen den Autoverkehr auf das nötige Maß begrenzen.
Für unser Viertel Gostenhof existiert hierzu auch schon eine konkrete Idee: die Realisierung eines sogenannten „Superblocks“. Was das ist? Eine Idee aus Spanien, die mittlerweile ein Mittel moderner Stadtplanung zur Linderung lokaler Klimafolgen gilt. Der erste Superblock wurde 2018 in Barcelona realisiert. Mehrere Häuserblocks werden dabei so umgestaltet, dass kein Durchgangsverkehr mehr möglich ist; Anwohnende und Ladeninhaber*innen können zum Ausladen weiterhin ihre Häuser erreichen. Parkflächen werden frei und bepflanzt oder als Fuß-/Radwege ausgewiesen. In Barcelona gab es anfangs heftige Proteste der Einwohner, die jedoch wenig später ein fast durchweg positives Bild der Auswirkungen entwickelten. Der Autoverkehr in den Vierteln halbierte und die Grünflächen verdoppelten sich, die Zahl kleiner Geschäfte und Gastronomie stieg um 30 %. Verkehrsunfälle gingen zurück und die Luftqualität wurde besser.
Was zählt mehr: die uneingeschränkte Nutzbarkeit von Autos in innerstädtischen Bezirken oder die Lebensqualität von Menschen, die dort wohnen?
Was hat das nun mit Gostenhof zu tun? Im Januar 2023 initiierte „Nürnberg Autofrei“ eine Podiumsdiskussion im Nachbarschaftshaus zum Thema „Superblock“, an der auch zahlreiche Vertreter*innen der Stadtratsfraktionen teilnahmen. Viele Gostenhofer*innen äußerten dabei deutlich ihren Unmut über die zunehmende Verkehrs- und Parkbelastung und ließen ihre Sympathie für einen solchen Superblock erkennen. Und tatsächlich: Die anwesenden Stadträt*innen signalisierten, das Konzept in Gostenhof einmal zu testen.
Natürlich ist es ist immer heikel, wenn die Nutzung „des Deutschen liebsten Kindes“, des Autos, eingeschränkt werden soll. Protest und Empörung sind hier vorprogrammiert. Doch sollte die Frage erlaubt sein, was mehr zählt: die uneingeschränkte Nutzbarkeit von Autos in innerstädtischen Bezirken oder die Lebensqualität von Menschen, die dort wohnen? Was wiegt stärker: das Recht auf saubere Atemluft oder das Recht, diese mit Abgasen zu belasten?
Wir sind gespannt, ob wir bald einen Superblock haben werden, und wie sich dieser auf unser Viertel auswirkt. In Barcelona jedenfalls läuft das Ganze so gut, dass dort aktuell noch 15 weitere geplant sind.
T: Peter Schorr · Foto/Montage: oben: Florian Hienle/Nürnberg Autofrei; unten: Wikimedia Creative Commons | kiezblocks.de;
Mehr Infos lesen und sich für das Bürgerbegehren eintragen unter: autofrei-nbg.de